Vielfach wird ein geradezu „mathematischer Vergleich“ einzelner Aspekte der
verschiedenen europäischen Rechtsformen – wie er in den vorangegangenen Abschnitten angeboten wurde – zu kurz greifen. Im Einzelfall mögen andere Erwägungen in Hinblick auf das Für oder Wider der ein oder anderen Rechtsform ausschlaggebend sein. So können auch die Sprachkenntnisse und persönlichen Beziehungen des Existenzgründers zum jeweiligen Gründungsstaat ein ausschlaggebendes Kriterium sein. Die Existenzgründung einer britischen, französischen oder spanischen Rechtsform mag schon deswegen für Existenzgründer im Allgemeinen attraktiver als eine griechische oder finnische Rechtsform erscheinen, weil die entsprechenden Sprachen weiter verbreitet sind. Gleiches
mag auch für persönliche und allgemeine Sprachkenntnisse (z. B. bei griechischer oder finnischer Abstammung) oder Wirtschaftsbeziehungen (z. B. in Kiel zum skandinavischen Wirtschaftsraum) ausschlaggebend sein. Auch die Branche oder die geplante Geschäftstätigkeit des zukünftigen Unternehmens können einen Einfluss auf die Wahl der Rechtsform ausüben. So gilt die niederländische BV z. B. als besonders attraktiv im Handwerk, da das liberale Gewerberecht in den
Niederlanden kaum Einschränkungen für die Eröffnung eines Handwerksbetriebes kennt. Deutsche Unternehmer können auf diese Weise z. B. den Meisterzwang umgehen, der mit der Novelle der Handwerksordnung zum 1. Januar 2004 zwar für 53 Handwerke aufgehoben wurde, aber immer noch für 41 Handwerke gilt (so z. B. für Zimmerer, Bäcker und Fleischer). Eine Pflichtmitgliedschaft in der deutschen Handwerkskammer ist hingegen unumgänglich (vgl. Kapitel 4.1.3.).
Erwähnt sei auch, dass für größere Unternehmen (mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern), die jedoch nicht im Fokus dieser Arbeit stehen, die Möglichkeit besteht, durch eine ausländische Rechtsform deutsches Mitbestimmungsrecht zu umgehen. So gilt nach herrschender Meinung die unternehmerische Mitbestimmung – im Gegensatz zur betrieblichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz – nicht für ausländische Kapitalgesellschaften. |