Diese Arbeit hat deutsche und
andere europäische Rechtsformen mit beschränkter Haftung dargestellt und deren Chancen und Risiken erörtert. Abschließend werden die Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und zukünftige Entwicklungen in einem Ausblick erörtert. Die in der Einleitung gestellten Fragen wurden durch die Ausführungen dieser Arbeit beantwortet: - Die deutsche GmbH ist aufgrund ihrer Haftungsbeschränkung die maßgebliche Rechtsform in Deutschland. Die GmbH & Co. KG, die GmbH & Still oder die Betriebsaufspaltung können jedoch steuerlich interessante Ausgestaltungsmöglichkeiten sein. Die Rechtsform der GmbH birgt dabei verschiedene Nachteile: eine
Vielzahl bestehender Haftungsgefahren, eine notwendige Kapitalausstattung in Höhe von mindestens 25.000 Euro und ein umfangreicher Gründungsaufwand.
- Durch die Urteile „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ des EuGH ist der Zuzug von ausländischen europäischen Gesellschaften nach Deutschland möglich geworden, sofern der Gründungsstaat der Gesellschaft den Wegzug erlaubt. Die Gesellschaften behalten die Rechtsfähigkeit ihre Gründungsstaates und dürfen
nur durch nationale Sondervorschriften behindert werden, wenn diese durch den „Vier-Kriterien-Test“ begründet werden können.
- Die britische Ltd, die irische Ltd/Teo, die französische SARL/EURL und die spanische SLNE bieten Chancen gegenüber der deutschen GmbH in Bezug auf eine geringe gesetzlich notwendige Kapitalausstattung. Im Hinblick auf einen niedrigen Gründungsaufwand überzeugt zudem die dänische ApS. Bezüglich des Verwaltungsaufwandes nach erfolgter Gründung
bestehen bei der britischen und irischen Ltd hingegen eher Nachteile gegenüber der deutschen GmbH: liberalen Gründungsvorschriften stehen hier strikte Verwaltungsvorschriften gegenüber. Chancen bietet dabei vielmehr die französische oder spanische Gesellschaft.
- Bei der Verwendung einer ausländischen europäischen Rechtsform mit beschränkter Haftung bestehen erhebliche Risiken für den Existenzgründer in Deutschland. Neben möglichen negativen Auswirkungen einer solchen
Rechtsformwahl auf das Unternehmensimage und bei Kreditverhandlungen mit Banken sind insbesondere vermehrte Haftungsgefahren zu beachten. So können im schlimmsten Fall sowohl deutsche als auch ausländische Haftungsgrundsätze Anwendung finden, woraus sich Rechtsunsicherheit und eine Beratungsproblematik ergeben. Vor diesem Hintergrund ist daher eher zur französischen Rechtsform einer SARL/EURL oder der spanischen Rechtsform einer SLNE zu raten, da
die entsprechenden Gesellschaftsrechte – im Gegensatz zum grundsätzlich verschiedenen britischen Gesellschaftsrecht – eine starke Ähnlichkeit zum deutschen GmbHG aufweisen.
Unter objektiver Abwägung dieser gewonnenen Erkenntnisse können folgende Ansichten vertreten werden: - Die Entscheidung für eine Rechtsform sollte unter Abwägung aller persönlichen Faktoren erfolgen. Das unternehmerische Gesamtkonzept sollte dabei wichtiger sein als einzelne Kostenvorteile bei der Gründung. So können persönliche (Geschäfts-) Beziehungen, Sprachkenntnisse oder Auswirkungen auf das Unternehmensimage ausschlaggebender bei der Wahl einer Rechtsform sein als der mathematische Vergleich der Gründungskosten.
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Wegen der Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Anwendbarkeit von Haftungsgrundsätzen lässt sich im Allgemeinen – d. h., wenn dem nicht (zuvor erwähnte) persönliche Faktoren widersprechen – nach wie vor zu einer deutschen Rechtsform mit beschränkter Haftung (z. B. GmbH oder GmbH & Co. KG) raten, sofern der Existenzgründer in der Lage ist, das geforderte Mindeststammkapital in Höhe von 25.000 Euro zu erbringen.
- Scheitert eine Existenzgründung einer deutschen
Rechtsform mit beschränkter Haftung an der Höhe des zu erbringenden Mindeststammkapitals und ist eine Haftungsbeschränkung dennoch gewünscht, so können ausländische europäische Rechtsformen eine interessante Alternative darstellen.
- Im Allgemeinen (Einschränkung s. o.) bieten die französische SARL/EURL und die spanische SLNE in einem solchen Fall Kleinstunternehmern eher Chancen als die britische Ltd. Insbesondere die spanische SLNE mag für diese Gruppe von
Existenzgründern aufgrund ihres geringen Gründungs- und Verwaltungsaufwandes interessant erscheinen.
Eine grundsätzliche Flucht hin zu Gesellschaftsformen ohne gesetzliche Mindestkapitalausstattung (sog. „race to the bottom“ oder auch „Delaware-Effekt“) ist nach den oben vertretenen Ansichten nicht zu befürchten. Dennoch sollten von deutscher Seite aus gegenüber einem Wettbewerb der europäischen Rechtsformen nicht die
Augen verschlossen werden. Wie auch im Hinblick auf andere wirtschaftliche Entwicklungen (z. B. die Globalisierung der Wirtschaft) gilt vielmehr, dass sich die eingetretene Rechtsentwicklung nicht dadurch bewältigen lässt, dass sie grundsätzlich abgelehnt wird, sondern nur dadurch, dass sich der Konkurrenzsituation gestellt wird. Eine gesellschaftsrechtliche Diskussion sollte dabei nicht mit den Worten „die britische Ltd ist nicht attraktiv, weil..
.“, sondern vielmehr mit der Zielsetzung „die deutsche GmbH ist attraktiv, weil...“ geführt werden. Die angesprochenen Urteile des EuGH sollten also vom deutschen Gesetzgeber und den entsprechenden Ämtern als Anstoß für eine Reform des deutschen Gesellschaftsrechts verstanden werden, um Vorteile der Rechtsform der GmbH weiter zu stärken und deren Nachteile im europäischen Vergleich zu verringern. Mögliche Ansätze für den deutschen Gesetzgeber können
dadurch entstehen, dass z. B. im Gläubigerschutz gänzlich neue Wege eingeschlagen werden. Die in dieser Funktion ohnehin fragwürdigen gesetzlichen Bestimmungen eines Mindeststammkapitals könnten zugunsten einer verschärften Handelndenhaftung aufgegeben werden. Der BGH hat dazu mit dem rechtlichen Konstrukt der „Haftung bei existenzvernichtendem Eingriff“ bereits die Grundlage gelegt“. Unabhängig davon sollte der Gründungsprozess einer
Gesellschaft an und für sich in Deutschland vereinfacht und beschleunigt werden. Für den Gesetzgeber könnte dabei das in Spanien bereits eingeführte elektronische Gründungsdokument ein Vorbild sein. Die Mehrzahl der Industrie- und Handelskammern könnte zudem ihr Serviceangebot für Existenzgründer noch stark ausbauen. Neben einem generell umfangreicheren (Internet-) Informationsangebot – hier können z. B. die
skandinavischen Ländern als vorbildlich gelten – sollte auch über die Errichtung regionaler Existenzgründungs- und Formalitätenzentren – wie z. B. in Frankreich – nachgedacht werden. Letztendlich begründet die durch die Urteile des EuGH herbeigeführte Öffnung der nationalen Gesellschaftsrechte auch eine Aufforderung an den europäischen Gesetzgeber, dem Wirrwarr der verschiedenen europäischen Rechtsformen mit beschränkter Haftung eine einheitliche
europäische Rechtsform als Alternative gegenüber zu stellen. Während sowohl die Europäische Wirtschafts- und Interessenvereinigung (EWIV) als auch die Europäische AG (Societas Europaea, SE) für Konzerne und Großunternehmen entwickelt wurden, fehlt bisher eine entsprechende Gesellschaftsform für den Mittelstand. Denkt man Ziel und Sinn der europäischen Niederlassungsfreiheit jedoch konsequent zu Ende, so sollte gerade für kleine und mittelständische Unternehmen
die Möglichkeit bestehen, mit einer einheitlichen Rechtsform auf dem europäischen Binnenmarkt aktiv zu werden. Eine „Europäisierung der Wirtschaft“ ist schließlich nicht nur bei Großunternehmen festzustellen, sondern zunehmend auch bei Einzelunternehmen und kleinen Gesellschaften: So mag z. B. ein Kneipenwirt im Winter eine Après-Ski-Bar in Österreich und im Sommer einer Après-Beach-Bar auf Mallorca betreiben und ein deutscher Handwerker sich in Polen niederlassen, um von
dort mit niedrigen Lohn- und Lohnnebenkosten seine Kundschaft in grenznahen deutschen Städten zu bedienen. Eine einheitliche Europäische Gesellschaft mit beschränkter Haftung würde dabei rechtliche Lücken schließen und der europaweiten Betätigung von mittelständischen Unternehmen bereits durch die Rechtsform eindeutig Rechnung tragen. Bis zu der Schlagzeile „Europäische GmbH schlägt deutsche GmbH!“ mag es aber noch ein langer Weg sein. |