| Unsere Politik richtet sich nicht gegen ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Doktrin, sondern gegen Hunger, Elend, Verzweiflung und Chaos. Das Ziel dieser Politik sollte die Wiederbelebung einer
funktionierenden Weltwirtschaft sein, die politische und soziale Verhältnisse schafft, in denen freie Institutionen in Freiheit existieren können. Es handelt sich darum, das Vertrauen der europäischen Völker in die wirtschaftliche Zukunft ihrer eigenen Länder und damit in die Zukunft Europas wiederherzustellen. Es wäre weder angebracht noch zweckmäßig, wenn die Regierung der Vereinigten Staaten von sich aus ein Programm entwerfen würde, um die wirtschaftliche
Aufrichtung Europas durchzuführen. Das ist Sache der Europäer selbst. Die Initiative muss von Europa ausgehen ..." (Auszüge aus der Rede George C. Marshalls am 5. Juni 1947 vor Studenten der Universität Harvard) George C. Marshall, amerikanischer Außenminister 1947/1949 Was bedeutet eigentlich ERP? Hunger, Not und Verzweiflung, zerbombte Städte und unpassierbare Verkehrswege, zerstörte Industrieanlagen und verwaiste Handwerksbetriebe, stillliegende Bergwerke
und erloschene Hochöfen kennzeichneten das Deutschland der Nachkriegsjahre. Überall herrschte wirtschaftliches Chaos - freilich nicht nur hierzulande, sondern in ganz Europa. Wie sollte der alte Kontinent wieder auf die Beine kommen, wie konnte er die politischen und wirtschaftlichen Probleme bewältigen? Die Hilfe kam aus den USA. Zunächst in Form der CARE-Pakete, die die blanke Not vieler Millionen Menschen linderten. CARE war 1946
gegründet worden und wurde vor allem von privater Seite getragen. Die Hilfsorganisation schickte nicht nur Lebensmittel und Kleidung, sondern den Bürgern zugleich auch moralische Unterstützung. Aber es gab noch immer kein Konzept, wie Europa in die Lage versetzt werden könnte, wirtschaftlich wieder auf die eigenen Füße zu kommen. Durch den Rückgang der europäischen Produktion und den gestörten Außenhandel drohte eine Krise der gesamten Weltwirtschaft.
Marshalls Plan: Hilfe zur Selbsthilfe In dieser Situation unterbreitete der amerikanische Außenminister George C. Marshall dem amerikanischen Volk und den Völkern Europas eine neue Idee. In einer Rede vor Studenten der Harvard-Universität am 5. Juni 1947 appellierte er an seine Landsleute und an die europäischen
Staaten, ein gemeinsames Programm für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft zu entwerfen. Sieger und Besiegte sollten zusammenstehen, um das ökonomische Chaos zu beseitigen. Dabei verlangte er von den Europäern, sich auch auf die eigenen Kräfte zu besinnen - ein neuer und umwälzender Gedanke. Marshalls Rede wurde berühmt und begründete ein Projekt, das als "Marshall-Plan" in die Geschichtsbücher eingegangen ist.
Dem Marshall-Plan zugrunde lag die Erkenntnis, dass es ohne die Wiederherstellung stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse keine politische Stabilität und damit keinen sicheren Frieden geben würde. Das Hilfsangebot der USA richtete sich an ganz Europa. Der "Eiserne Vorhang" erwies sich aber auch hier als undurchdringlich. Im Frühjahr 1948 unterzeichnete der amerikanische Präsident Harry S. Truman das Auslandshilfe-Gesetz, das die Grundlage für
das europäische Wiederaufbauprogramm bildete. Marshalls Plan wurde Wirklichkeit. Lebensmittel, Medikamente, Saatgut, Düngemittel, Treibstoffe, Spezialmaschinen, Rohstoffe und vieles andere mehr kamen nun nach Europa. Bis Mitte 1951 brachten die amerikanischen Steuerzahler 13 Milliarden Dollar auf. Praktisch finanzierten sie damit die Hälfte aller amerikanischen Ausfuhren nach Europa. Von den 13 Milliarden Dollar erhielten Westdeutschland und
West-Berlin Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 1,6 Milliarden Dollar. Im Gegensatz zu den anderen Ländern wurden den Deutschen die Mittel jedoch nicht geschenkt, sondern in Form von Krediten gewährt. Die amerikanische Regierung bezahlte US-Exporteure, die Güter und Dienstleistungen nach Europa lieferten, in Dollar, während die westeuropäischen Importeure den Gegenwert der Einfuhren in ihren inländischen Währungen auf Konten
der jeweiligen Zentralbank einzahlten. Auf diese Weise konnten in den Ländern Westeuropas Ersparnisse in Höhe der Marshall-Plan-Hilfe angesammelt und zur Eigenfinanzierung des Wiederaufbaus verwendet werden. Die Hilfe aus dem Marshall-Plan sicherte damit ein Zweifaches: Sie milderte die Devisenschwäche und überbrückte den akuten Kapitalmangel der westeuropäischen Staaten. Vom Marshall-Plan zum ERP-Sondervermögen: die neue Verantwortung In Westdeutschland zahlten die Importeure für die mit den Hilfsgeldern beschafften Güter und Dienstleistungen D-Mark-Beträge auf Gegenwertkonten bei der Deutschen Bundesbank ein (bis 1957 bei der Bank Deutscher Länder).
Eigentümer dieser Gegenwertkonten waren die USA, da die Gelder ja nicht geschenkt, sondern nur kreditiert wurden. Am 15. Dezember 1949 vereinbarten die Bundesrepublik Deutschland und die USA ein Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit - es war der erste Staatsvertrag, den die junge Bundesrepublik als gleichberechtigter Vertragspartner abschloss. Das Abkommen legte fest, die Gegenwertmittel (damals rund 6 Milliarden DM) als Sondervermögen zu verwalten. Aus
diesem Sondervermögen sollten revolvierend Kredite zur Förderung der deutschen Wirtschaft fließen. Revolvierend heißt, dass die Kredite nach der Rückzahlung immer wieder neu vergeben werden und der Wirtschaft damit immer wieder neue Mittel zuflielen. Am 1. Februar 1950 trat die Vereinbarung in Kraft. Dieser Tag ist gewissermaßen der Geburtstag des Sondervermögens, das 1953 den Namen "ERP-Sondervermögen" erhielt. ERP ist die
Abkürzung für European Recovery Program - Europäisches Wiederaufbauprogramm. Im Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurde der Bundesrepublik Deutschland die Schuld aus der Marshall-Plan-Hilfe bis auf einen Betrag von 1 Milliarde Dollar erlassen. Diese Summe sollte einschließlich 2,5 % Zinsen in 60 Halbjahresraten getilgt werden. Die Rückzahlung aus dem Bundeshaushalt erfolgte aber bereits bis Ende 1966. Mit der Tilgung der letzten Rate
ist das ERP-Sondervermögen in vollem Umfang in deutsches Eigentum und deutsche Verantwortung übergegangen. Das Sondervermögen ist von ursprünglich 6 Milliarden DM bis Ende 1999 auf rund 24 Milliarden DM angewachsen. Die Sonderstellung des Sondervermögens Das ERP-Sondervermögen diente seit 1949 dem
Wiederaufbau und der Förderung und Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaft. Das Prinzip der Marshall-Plan-Hilfe für Westdeutschland, Kapital nicht als verlorenen Zuschuss an die Wirtschaft zu geben, sondern als Kredit, war ent-scheidend für die erfolgreiche Tätigkeit des ERP-Sondervermögens. Die Tilgungen und Zinsen fließen immer wieder zurück und stehen damit für neue zinsgünstige Darlehen zur Verfügung. So beträgt das Fördervolumen ein
Vielfaches des Fondsvermögens. Die Bezeichnung "Sondervermögen" betont die Unabhängigkeit des Fonds. Das ERP-Sondervermögen ist vom übrigen Vermögen des Bundes abgetrennt und haftet auch nicht für die Verbindlichkeiten des Bundes. Im ERP-Verwaltungsgesetz aus dem Jahr 1953 wurden die Aufgaben des Sondervermögens festgelegt. Der Bestand des Sondervermögens darf nicht angetastet werden, sondern muss in voller Höhe erhalten bleiben. 1961 wurden die
Aufgaben durch das ERP-Entwicklungshilfegesetz erweitert. Nun konnten auch Kredite zur Förderung der Zusammenarbeit der deutschen Wirtschaft mit den Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt werden. Kredite über 187 Milliarden DM Die Bedeutung des Marshall-Plans für Westdeutschland
wurde anfangs durch ein eigenes Ministerium unterstrichen - das Bundesministerium für Angelegenheiten des Marshall-Plans. Es wurde eingerichtet, als die Bundesrepublik im September 1949 souverän geworden war, und wurde lange Zeit vom Vizekanzler Franz Blücher geleitet. Seit 1969 wird das ERP-Sondervermögen vom Bundesministerium für Wirtschaft, dem heutigen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie verwaltet. Naturgemäß richtete sich die
Fördertätigkeit zunächst auf den Wiederaufbau der wichtigsten Grundstoff- und Investitionsgüterindustrien. In einer Wirtschaft mit einem erst schwach entwickelten Kapitalmarkt waren die ERP-Kredite die Voraussetzung für die wirtschaftliche Expansion. Schwerpunkte in den Folgejahren waren der Ausbau der Energieversorgung und des Verkehrswesens. Nach Abschluss der eigentlichen Wiederaufbauphase konzentrierte sich die Aktivität immer
stärker auf die Unterstützung der exportintensiven Industrien und insbesondere auf die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen. Ging es anfangs vor allem darum, überhaupt eine Versorgung mit Krediten sicherzustellen, verlagerte sich die Aufgabe später auf die Bereitstellung zinsgünstiger Kredite. Mit ihnen wurden Investitionen in Problembereichen und benachteiligten Regionen ermöglicht. So wurden beispielsweise Existenzgründungen, der
Umweltschutz und die Zonenrandgebiete gefördert. Bis Ende 1990 lag ein besonderes Gewicht auf der Berlin-Förderung. Der spezifischen Situation West-Berlins mit seiner Insellage wurde durch erleichterte Vergabebedingungen für ERP-Mittel Rechnung getragen. Herausforderung Deutsche Einheit Mit der Deutschen Einheit begann auch für das ERP
-Sondervermögen ein neuer Abschnitt. Bereits vor der Vereinigung im Oktober 1990 hatte die Bundesregierung im Januar 1990 vor dem Abschluss der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990 begonnen, ERP-Kredite für Investitionen in der DDR zu gewähren. Es war das erste Hilfsangebot für den Aufbau kleiner und mittlerer Unternehmen im Osten Deutschlands. Gefördert wurden Existenzgründer, Handwerksbetriebe oder auch touristische
Einrichtungen. Die Kredite wurden in D-Mark ausgezahlt, damit die Empfänger notwendige Güter in harter Währung kaufen konnten. Die Parallelen zur damaligen Hilfe der USA sind unverkennbar. So hat der Marshall-Plan mit erheblicher Verspätung doch noch seine segensreiche Wirkung auch jenseits der Grenze entfalten können. Entsprechend dem Bedarf wurden die ERP-Hilfen für die neuen Bundesländer noch erheblich ausgeweitet. Die Erneuerung des
Kapitalstocks war ebenso dringlich wie der Aufbau selbstständiger Existenzen und mittelständischer Betriebe. Bis Ende 1999 wurden rund 299.000 Zusagen über ein Kreditvolumen von rund 63 Milliarden DM erteilt. Dieses Volumen überstieg die Möglichkeiten des ERP. Darum wurde das Sondervermögen ermächtigt, beträchtliche zusätzliche Mittel auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen. Die Förderschwerpunkte in den neuen Ländern werden noch auf
absehbare Zeit bestehen bleiben. Zunehmend gewinnen jedoch neue Ziele an Bedeutung, die für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland entscheidend sind. Die jüngste Entwicklung Anfang 1996 wurde für das gesamte Bundesgebiet ein neues Programm zur Förderung der Innovationen von
kleinen und mittleren Unternehmen aufgelegt, um die Umsetzung von Innovationen in anwendungsreife Produkte zu beschleunigen. Dieses Programm ist später um eine Beteiligungsvariante erweitert worden. Mitte 1996 folgte als weiteres neues Programm das ERP-Ausbildungsplätzeprogramm, mit dem Anreize für neue Ausbildungsplätze geschaffen wurden. Mit Beginn des Jahres 1997 übernahm die ERP-Wirtschaftsförderung das bewährte Instrument der Eigenkapitalhilfe, mit dem
Existenzgründer eigenkapitalähnliche Mittel erhalten können. So konnte dieses wichtige Förderelement auf Dauer gesichert werden. Die wesentlichen Bausteine der Gründungsförderung - die Existenzgründungsdarlehen und die Eigenkapitalhilfe - befinden sich seitdem in einer Hand. Auch künftig wird sich das ERP-Sondervermögen neuen Herausforderungen stellen. Wirtschaftsförderung muss verlässlich sein, darf aber nicht erstarren. Die Prioritäten
müssen ständig überprüft und neu bestimmt werden. |